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Letztes Geleit

Eine junge Frau steht in einem dunklen Raum und bindet Blätter zu einem Gesteck. Seitlich sind viele Eimer mit Blumen zu sehen. Die Frau ist nur als Umriß im Gegenlicht zu sehen. Im Hintergrund scheint die Sonne hell durch eine Tür in den Raum hinein.

Letztes Geleit.

In meinem Fotoprojekt "Letztes Geleit" habe ich Menschen besucht und mit der Kamera begleitet, die in Berufen rund um Tod und Bestattung arbeiten.

 

Neugierig auf das Thema wurde ich, als ich im Zusammenhang mit einem eigenen Trauerfall erstmals mit einigen der Menschen, die sich in Hamburg für eine andere Trauer- und Bestattungs-Kultur einsetzen, in Kontakt kam. Es war ermutigend, inspirierend, befreiend, in einer belastenden und anstrengenden Situation auf Leute zu treffen, die mich gleichzeitig unterstützt und freigelassen haben. Ich wurde einfühlsam und respektvoll begleitet bei der Suche nach der richtigen Form einer Trauerfeier. Mir war wichtig, dass diese für mich wie auch für meine Angehörigen, die wieder ganz anders ticken als ich, möglichst stimmig wird.

 

Es tat gut, dass ich meine verstorbene Tante ein paar Mal im Bestattungsinstitut besuchen konnte.
Es tat gut, dass all die Ideen von mir und meiner Familie aufgegriffen und umgesetzt wurden.
Es war wunderschön, in der Kapelle dann eine ganz zarte, natürliche und gleichzeitig sehr besondere Blumendekoration zu finden und keine klassischen Trauerkränze oder Grabgebinde.
Es war hilfreich, mehrfach sehr geduldig über verschiedene Materialien für einen Grabstein beraten zu werden, denn auch hier gab es unterschiedliche Bedürfnisse innerhalb der Familie.

 

In den Gesprächen mit "meiner" Bestatterin erfuhr ich ganz nebenbei auch, dass sie aus einer vollkommen anderen Branche bewusst in diesen Beruf gegangen war. Das hat mich beeindruckt und neugierig gemacht.

 

So formte sich schon während der Organisation der Beerdigung meiner Tante langsam die Idee zu meinem Fotoprojekt.
Ich entschied mich, dass es wirklich ausschließlich um Menschen gehen soll, die unmittelbar am Thema Tod und Bestattung arbeiten, deren Arbeit sich auf die verstorbene Person bezieht. Das schloss Berufe wie Hospizpfleger*innen oder Trauerbegleiter*innen aus.

Ich erstellte eine Liste von möglichen "Gewerken" und machte mich auf die Suche, freundlich unterstützt von der Bestatterin, die mich betreut hatte. Schnell wurde klar, dass es in Hamburg ein kleines Netzwerk von Menschen gibt, die nicht aus Tradition (z.B. Familienbetrieb übernehmen), sondern aus persönlicher Überzeugung in diesen Berufen arbeiten.

 

Schließlich fand ich eine Bestatterin und ihre Kollegin, einen Krematoriumsmitarbeiter, eine Urnengestalterin, einen Trauerfloristen, eine Trauerrednerin und eine Steinmetzin, die bereit waren, sich fotografieren zu lassen

 

All diese Menschen habe ich für jeweils etwa einen halben Tag auf ihrer Arbeitsstelle besucht.
Ich habe mir viel erzählen, erklären, zeigen lassen.
Ich habe alle über mehrere Stunden möglichst unauffällig und zurückhaltend mit der Kamera bei ihrer Arbeit beobachtet.

 

Aus unzähligen Bildern habe ich meine Lieblingsfotos gewählt, mir ein OK/Bildfreigabe zur Verwendung geholt - und ich habe die vielen guten Fotos, die ich nicht selbst verwenden wollte, kostenlos als Dank an die Protagonist*innen zur freien Verwendung weitergegeben.

 

Das Prinzip von gegenseitigem Austausch und win-win ist mir immer eine Herzensangelegenheit.

 

Eine kleine Auswahl meiner Fotos habe ich dann erstmals für die Happyendmesse im November 2023 in Hamburg zusammengestellt und gezeigt.
Zwar war die Messe ein viel zu unruhiger Ort für eine Ausstellung, die zur Betrachtung eher Muße und Ruhe erfordert.
Meine Fotos sind nicht gruselig, eklig, unheimlich oder abschreckend, aber sie sind sehr still und intensiv.
Auch wenn dieses erste Ausstellungserlebnis mich eher frustriert hat, war es dennoch meine erste eigene kleine Ausstellung.
 

Im März 2024 hing die Ausstellung dann für mehrere Wochen in den hellen, ruhigen und weiten Gängen eines Hamburger Hospizes.

Bei der Eröffnung erzählte nicht nur ich selbst etwas über mein Projekt, sondern vor allem berichteten zwei der Porträtierten aus ihrer Arbeit.
Zwei weitere waren anwesend im Publikum.

In der lebhaften Diskussion, die sich an dem Abend ergab, wurden auch diese beiden sofort alles mögliche gefragt.
Mich hat sehr gefreut, dass diese Gespräche ergeben haben. All das, was man an Fragen, Sorgen, Vorstellungen zu Themen wie Einäscherung, Zersetzungsdauer einer Urne bei einer Seebestattung oder auch Umgang mit unguten Familiengeschichten auf einer Beerdigung im Kopf hat, konnte direkt mal von einer Bestatterin oder Trauerrednerin beantwortet bzw. erklärt werden.

 

Nun geht meine kleine Ausstellung immer mal auf Tournee in das eine oder andere Hospiz in Norddeutschland - so lange, bis die Fotos zu zerschrammt sind oder von den Ausstellungstafeln wieder abfallen.